Marathon-Neustart für die Hahner-Twins

Berlin – Händchenhaltende Zwillinge bei den Olympischen Spielen in Rio, die Sonne strahlt, die Schwestern lachen und teilen alles. In neonorangen Laufschuhen traben Lisa und Anna Hahner beim Marathon gemeinsam ins Ziel. Dieses Foto vom 14. August 2016 löst hitzige Debatten aus.

Der Publicity-Gag geht nach hinten los: Mit einem Platz unter ferner liefen und einer grottenschlechten Zeit demontieren die «Hahnertwins» ihre Marke selbst. Denn schnellste Zwillingsschwestern der Welt sind nicht die beiden deutschen Frauen, sondern die Nordkoreanerinnen Hye-Song und Yhe-Gong Kim.

Vor allem aus der Laufszene hagelte es Kritik, der Deutsche Leichtahletik-Verband lässt die Hahners nach deren «Volkslauf» am Zuckerhut bis heute links liegen. «Die Kritik war oft unsachlich und hat mich dann auch getroffen. Ein halbes Jahr danach hätte ich noch keine Interviews dazu geben können. Aber mittlerweile ist es ein Teil meiner Geschichte», sagte Lisa Hahner der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Nach Rio «da war ich leer, im Kopf und körperlich». Gut zwei Jahre später hat sie ihren Frieden mit dem Rio-Rennen gemacht: «Für mich ist es verarbeitet, abgehakt.»

Auch das Comeback ging schief. «Im September 2017 bin ich beim Kapstadt-Marathon nach 24 Kilometern kollabiert», berichtete die 28-Jährige. «Das war eigentlich der Punkt, wo ich mir gesagt habe: Okay, ich muss etwas ändern!»

Und sie änderte etwas. Die junge Frau zog aus Gengenbach, wo sie mit ihrer Zwillingsschwester Anna und Trainer und Manager Thomas Dold lebte, in die Millionenstadt an der Spree. Der erfahrene Marathon-

Trainer Dieter Hogen, der einst Uta Pippig zur Weltklasse-Läuferin formte, soll Lisa wieder motivieren, besser und schneller machen.

Das Projekt ist langfristig angelegt. «Ich gehe nicht nach Berlin allein mit dem Ziel Olympia 2020 in Tokio», erzählte Lisa Hahner. «Ich denke auch schon an 2024 Paris und 2028 in Los Angeles. Ich kann mir sehr gut vorstellen, noch zehn Jahre Leistungssport auf höchstem Niveau zu machen.» Sie habe das Gefühl gehabt: «Lisa, Berlin ist das Richtige.» Inzwischen weiß sie sogar, was eine Schrippe ist.

Am 2. Dezember startet sie in Valencia ihr nächstes Comeback, dann steht sie zum neunten Mal bei einem Marathon am Start. «Ich bin jetzt drei Jahre keinen guten Marathon mehr gelaufen», sagte sie. In Frankfurt am Main lief sie am 25. Oktober 2015 ihre Bestleistung. Die 2:28:39 Stunden stehen bis heute.

Ihre vier Sponsoren hielten nach der Rio-Pleite zu ihr. Den Leichtathletik-Verband braucht sie dagegen nicht, um wieder durchzustarten. «In der Olympia-Vorbereitung haben wir gar nichts vom DLV bekommen: also 2015 und 2016 keinen Euro. Bei mir hat sich bis heute keiner vom DLV gemeldet, bei Anna auch nicht. In der ganzen Zeit nicht. Ich glaube, ich habe mich einfach losgelöst. Ich möchte dem Verband weder hinterherrennen noch mich bewusst abgrenzen.» Allerdings: Aufgrund fehlender Spitzenzeiten gehören die beiden auch keinem Verbandskader mehr an.

Mit Anna, die in Baden geblieben ist, hat Lisa trotz der großen Entfernung fast täglich Kontakt. «Ich würde nie von Trennung sprechen, weil es sich halt nicht so anfühlt», erklärte die Neu-

Berlinerin. «Wir sind einfach an verschiedenen Orten. Vielleicht trifft es ‚Weiterentwicklung‘ besser.»

Schwester Anna und ihr Partner Thomas Dold, der wegen der offensiven Vermarktung der Zwillinge schon öfter in der Kritik stand, wollen sich nicht zu den neuen Verhältnissen äußern. Dold teilte mit, «dass wir kein Interesse an einem Interview haben».

Anna Hahner, die 2016 den Hannover-Marathon gewonnen und eine Bestzeit von 2:26:44 Stunden hat, kämpfte nach Rio immer wieder mit Verletzungen. Auch sie hat jetzt einen neuen Trainer. Beide Schwestern werden vom nächsten Jahr an für den SCC Berlin starten.

«Es war Zeit für mich, die Restart-Taste zu drücken. Einmal das Betriebssystem komplett herunterfahren, um dann neu loszulegen», schilderte Anna Hahner auf hahnertwins.com. Sie habe noch «große Ziele» und gespürt, «dass es Zeit für eine Veränderung ist». Künftig wird sie mit Dan Lorang zusammenarbeiten, der auch die Weltklasse-Triathleten Jan Frodeno und Anne Haug trainiert.


(dpa)

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