Coup von Al-Chelaifi: Katars 222-Millionen-Show

Doha – Das Wüstenland Katar hat von vielem mehr als genug. Nicht nur Sand, Kamele und Sonnenstunden, auch Geld und nicht zuletzt Geltungsdrang sind im Überfluss vorhanden in dem Golf-Emirat, das durch seine Gasvorkommen märchenhaft reich wurde.

So reich, dass Preise eigentlich gar keine große Rolle mehr spielen, solange die Herrscher in dem Emirat damit ihr Ziel erreichen: Dem Zwergstaat mit einer Fläche kleiner als Schleswig-Holstein internationale Bedeutung zu verschaffen. Die astronomische Summe von 222 Millionen Euro für Fußballstar Neymar ist für sie auch ein Investment in die Zukunft.

Dabei ist der Rekorddeal, der inklusive Wechselprämie, Handgeld und Gehalt noch wesentlich teuerer ist, vor allem ein Coup für den französischen Hauptstadtclub Paris Saint-Germain, für den der 25-Jährige brasilianische Wunderspieler stürmen soll. Aber es ist eben auch ein Erfolg für den PSG-Präsidenten Nasser al-Chelaifi. Als katarischer Tennisprofi brachte er es einmal auf Platz 995 der Weltrangliste. Für seine laut ATP gesammelten Preisgelder von 16 201 Dollar würde er heute wohl nicht einmal aufstehen.

Denn Al-Chelaifi stieg nach seiner Karriere zu einem mächtigen Spieler in der Sportindustrie auf. Und erfüllt damit die Agenda seines engen Freundes Scheich Tamim bin Hamad Al Thani – nebenbei der Herrscher Katars. 2011 kaufte Al-Chelaifis Investorengruppe die Aktienmehrheit an dem sportlich mittelprächtig erfolgreichen Parisern. Er pumpte etliche Millionen in den Verein und will nun mit Hilfe Neymars endlich die Champions League gewinnen.

Dabei dürfte der sportliche Aspekt des Transfers für viele zur Nebensache werden angesichts des riesigen Show-Effekts, den der Deal in die Welt aussendet. Denn den Kataris geht es um mehr: «Sie versuchen hier buchstäblich, einen Punkt zu erzielen», sagt Nahost-Politik-Experte Christopher Davidson der Nachrichtenagentur AP zufolge.

Die Ablösesumme für Neymar höre sich nach einer Menge Geld an. «Aber angesichts von Hunderten Milliarden Dollar für die Weltmeisterschaft wird Neymar als solide Investition gesehen werden», so Davidson. Katar hatte offensiv um die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 gebuhlt und den Zuschlag für die erste WM im Nahen Osten erhalten. Was für viele Fans vorher unvorstellbar war: Die FIFA verlegte die WM-Endrunde wegen der sommerlichen Hitze im Gastgeberland sogar in den Winter.

Die WM 2022 ist zwar das herausragende, aber nur eines von vielen Sport-Events im Emirat. In den funkelnden Wolkenkratzern Dohas plant die Elite des Landes schon längst die Austragung der Olympischen Spiele. Im Sport hat Katar seine Ausdrucksform gefunden. Nicht, dass es an sich so verrückt nach körperlicher Ertüchtigung wäre. Vielmehr deshalb, weil sich in kaum einem anderen Bereich mit Geld so schnell Einfluss kaufen lässt. Ruhm, den sich die Kataris mit ihrem erfolglosen Fußball-Nationalteam kaum selbst erarbeiten können.

Neymars Verpflichtung ist dabei auch ein klares Zeichen an Katars Gegner in der eigenen Nachbarschaft, erklärt Davidson. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten hatten Anfang Juni ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen und eine Blockade gegen das Land verhängt. Ihr offizieller – und nicht unbegründeter – Vorwurf: Doha finanziere radikale Islamisten. Beobachter gehen aber eher davon aus, dass vor allem die Regionalmacht Saudi-Arabien das aufstrebende Emirat in die Schranken weisen will.

Der Transfercoup spricht deswegen auch eine klare Sprache in Richtung der Blockadestaaten: Ihr haltet uns nicht auf. Die Kosten für die Einfuhren von Lebensmitteln oder Baumaterialien für die WM-Stadien mögen infolge der Blockade deutlich gestiegen sein. Doch solange das Geld aus dem Gasgeschäft sprudelt, ist obendrauf auch noch ein Neymar drin.

So stellt Katar seine Widersacher in Sachen Publicity einmal mehr in den Schatten. Und nicht nur sie. Ein historischer Transfer, dessen Vollzug auch ein Machtbeweis ist, lässt in den Augen vieler Fans in Vergessenheit geraten, worum es eigentlich gehen sollte: Dass der flinke Neymar viele Tore für Paris schießt. Längst sollte der Club nach Vorstellung der Investoren die Champions League gewonnnen haben. Auch wenn das schon verpflichtete Personal durchaus die internationale Klasse hat – der deutsche Torhüter Kevin Trapp, der argentinische Stürmer Ángel Di María und sein uruguayischer Partner Edinson Cavani, um einige zu nennen. Doch nun läuft ein Spieler auf, mit dem die Trophäe endlich gewonnen werden kann.


(dpa)

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