Das Jahr des Thomas Bach zwischen Korruption und Doping

Lausanne – Für große Gesten hat Thomas Bach ein Gespür. Den von Russland bei den Winterspielen 2014 in Sotschi betrogenen Sportlern versprach der IOC-Präsident Wiedergutmachung. Wenn möglich, sollen für diese Athleten Zeremonien bei den kommenden Spielen in Südkorea organisiert werden.

Es gäbe viel zu feiern: Bis jetzt haben die Doping-Ermittler des Internationalen Olympischen Komitees Russland schon elf Sotschi-Medaillen aberkannt, davon vier goldene. Mehr könnten folgen.

Es war für Bach ohnehin ein eher guter Moment am Abend des 5. Dezember in Lausanne. Der für mangelnde Härte gegen Russland und zu viel Nähe zu Kremlchef Wladimir Putin gescholtene IOC-Chef legte einen respektablen Auftritt hin, als er die Strafen gegen die Sportgroßmacht erläuterte.

Wenn selbst Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Behörde und ausgewiesener Bach-Kritiker, schreibt, dass mit der IOC-Entscheidung «saubere Athleten einen bedeutenden Sieg errungen haben», kann Bach nicht so viel falsch gemacht haben. Noch im September hatte Tygart dem IOC Verzögerungstaktik vorgeworfen und einen kompletten Ausschluss und damit die Höchststrafe für Russland gefordert.

Dass es Funktionäre und Sportler gibt, denen der Russland-Beschluss nicht weit genug geht, hat Bach sicher gewusst und einkalkuliert. Beispielsweise für die Anti-Doping-Kämpferin Ines Geipel spielt das IOC nur für die Galerie: «Die Beweise liegen auf dem Tisch. Doch im Grunde sagt die Entscheidung: Egal, welches Staatsdoping ihr auflegt in dieser Welt, wir nehmen euch auf in die olympische Familie.»

Dass Sport für das IOC eben auch Politik ist, weiß kaum jemand besser als Bach. Es hilft im Milliardengeschäft Olympia wenig, Türen für immer zuzuschlagen. So baut das IOC den Russen auch eine Brücke zurück in den Schoß der olympischen Familie. Allerdings muss das so stolze wie empfindliche Russland bis zum Erlöschen des Olympischen Feuers am 25. Februar klaglos ertragen, dass ihre – sauberen – Topathleten unter neutraler Flagge antreten. Für ein Kaliber wie Putin, dem das Wort Demütigung schnell über die Lippen kommt, eine echte Herausforderung.

Das Russland-Problem passt gut zu den vier Jahren, die Thomas Bach nun einer der mächtigsten Sportfunktionäre der Welt ist. Der gebürtige Würzburger und Fecht-Olympiasieger von 1976 hat in dieser Zeit weniger als selbst ernannter Reformer, denn als Krisenmanager für die olympische Bewegung arbeiten müssen – die Liste der Probleme ist lang.

Der Dopingskandal von Sotschi, der erst vor den Sommerspielen in Rio de Janeiro 2016 sein ungeheuerliches Ausmaß zeigte. Das Rio-Organisationschaos und der Verdacht, dass die ersten Spiele in Südamerika gekauft waren. Dazu korrupte Spitzenfunktionäre in den eigenen Reihen. Volksentscheide gegen Olympiabewerbungen, bei denen die Bürger offensichtlichen Unmut über eine olympische Idee des Kommerzes und Betruges kundtaten. Auch dass die nächsten Winterspiele in Asien – auf Pyeongchang folgt 2022 Peking – stattfinden, fernab der traditionellen Märkte in Nordamerika und Europa, ist suboptimal.

Immerhin ist dem IOC-Präsidenten in diesem von Doping- und Korruptionsschlagzeilen geprägten Jahr eine Sache wirklich gelungen. Dass die Olympischen Spiele 2024 an Paris und 2028 an Los Angeles in einem Zug vergeben worden, sichert dem IOC auf Jahre seine finanziellen Einnahmen und sorgt im besten Fall auch wieder für die Schlagzeilen, die dem olympischen Motto «Schneller, höher, stärker» entsprechen. Vielleicht bieten die recht klare Botschaft an Moskau und die sicher gut organisierten Spiele von Pyeongchang eine Gelegenheit zum Neuanfang, oder wie es Bach formulierte, man müsse nun einen Strich unter «die verheerende Episode» ziehen.


(dpa)

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