Vom Bürgerkrieg zum Spielzug: American Football

Houston – Als die Jungs der College-Mannschaften Rutgers und Princeton an einem Samstag im Winter 1869 in New Jersey im Kampf um einen Football aufeinander losgingen, war die Profi-Liga NFL noch gar nicht geboren.

Regeln gab es bis auf ein paar aus dem Fußballsport entlehnte Vorschriften kaum, dafür standen Eigenschaften wie Ehre, Tapferkeit und Stärke bei den äußerst brutalen Spielen hoch im Kurs. Bis heute lassen sich im Football, der beliebtesten Sportart der USA, Ursprünge aus der Welt von Kampf, Krieg und Militär erkennen.

Über «Blitz»-Angriffe und den «Stellungskrieg» dürften Fans wieder diskutieren, wenn die New England Patriots und die Atlanta Falcons am 5. Februar zum Kickoff beim Super Bowl auflaufen. Beim Endspiel in der National Football League im texanischen Houston, dem größten und teuersten TV-Ereignis des Jahres, stehen Generäle (Trainer), Hauptmänner (Quarterbacks) und ihre Soldaten auf dem Feld.

Boxen, Trabrennsport und eine frühe Form des Baseballs waren beliebt, als in Amerika der blutige Bürgerkrieg 1865 zu Ende ging. Dieser hatte bei männlichen Soldaten eine «Gesinnung von Aufopferung, von Hingabe zum heroischen Beweggrund» erzeugt, argumentieren die Historiker Elliott Gorn und Warren Goldstein. Football erfreute sich an Universitäten, die Sportangebote nach Kriegsende zunehmend für sich entdeckten, an wachsender Beliebtheit. Auf das erste, informelle Match 1869 in New Jersey folgten bald Partien, in denen Studenten der Hochschulen Harvard, Yale, Princeton und Columbia antraten.

«Die Teams waren Klassen, und der Ball war nur eine Entschuldigung für eine Rauferei», schreibt die University of Pennsylvania zur frühen Geschichte des Sports. Die Spieler hofften, «den männlichen Mut, den ihre Väter und älteren Brüder kürzlich auf den blutigen Schlachtfeldern» unter Beweis gestellt hätten, im Wettstreit gegen eine andere Mannschaft zu demonstrieren, schreibt Historiker Allen Guttmann. Und Mut brauchten sie: Allein im Jahr 1905 kamen 18 Spieler ums Leben, 159 erlitten schwere Verletzungen.

Auch das Militär entdeckte Football für sich, und nicht wenige verstanden die Matches auch als Vorbereitung auf den nächsten Krieg. Charles Daly, Trainer der Militärakademie in West Point bei New York, schrieb 1921: «Kein Soldat hat jemals mehr vom intensiven und sorgfältig geplantem Drill profitiert als der Footballspieler.» Wer nicht hart genug ist, geht in dem Sport unter.

Beide Welten sind so sehr miteinander verwoben, dass es Begriffe aus dem Football sogar in den echten, bewaffneten, von Staaten begonnenen Krieg schafften: Mit den Operationen «Goalpost» (Torpfosten) und «Varsity» (Universitätsauswahl) waren die USA im Zweiten Weltkrieg unterwegs, die Operation «Linebacker» (eine Spieler-Position im Football) war Codename eines Luftangriffs im Vietnamkrieg.

Bis heute strömen Athleten in bunten Uniformen zur Begleitung der Marschkapellen und Jubelrufen ihrer heimischen Fans auf den Rasen, um ihre Gegner einzuschüchtern und Stärke zu zeigen. Letztlich geht es dann um Punkte, doch diese erzielen Spieler nur, indem sie ihre Gegner mit voller Wucht in den Boden rammen. «Im Football geht es um Zerstörung», schrieb die «Los Angeles Times» vor einigen Jahren.

Bei nicht wenigen US-Soldaten, die am Sonntag des Super Bowls massenhaft auch aus dem Irak und Afghanistan, aus Deutschland und Polen einschalten dürften, löst Football Begeisterung aus. Die mit Rekordsummen finanzierten Werbespots beim Super Bowl gehören heute genauso zur PR-Strategie des Militärs wie das Anwerben junger Rekruten auf dem Parkplatz bei gut besuchten College-Spielen.

Den offenen Umgang mit den teils schweren Kopfverletzungen in einem Sport, der von seiner Härte zehrt, lernt die Liga nur langsam. Wer «Best of»-Videos von besonders heftigen Zusammenstößen und Tackles sieht, versteht, was viele Fans am Football lieben. Einer von ihnen ist Donald Trump, der die neuen Regeln zu Gehirnerschütterungen als «verweichlicht» verspottete: «Oh, oh. Eine kleine Delle am Kopf und nein, man kann für den Rest der Saison nicht mehr spielen», sagte der US-Präsident im Wahlkampf. Für ihn gelte: «Unsere Leute sind hart.»


(dpa)

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