Steiler Aufstieg, böser Absturz: «Bubi» Scholz

Hamburg – Es gibt Ereignisse im Leben eines Menschen, die können eine ganze Nation aufwühlen. Einer, der das geschafft hat, war Profiboxer Gustav «Bubi» Scholz.

War es nun Mord oder fahrlässige Tötung? Genau sind die Hintergründe für die Schüsse auf seine Ehefrau Helga 1984 nie geklärt worden. Die Zeitungen waren voll, nicht immer ließ sich zwischen Wahrheit und Dichtung unterscheiden. Die Gefängnisstrafe von drei Jahren fiel mild aus. Am 12. April wäre Scholz, der am 21. August 2000 starb, 90 Jahre alt geworden.

Als Boxer war «Bubi», wie er als einstiger Leichtgewichtler wegen seiner schmächtigen Statur gerufen wurde, ein gefeierter Star der 1950er- und 60er-Jahre. Mit der Zeit nahm er runde 20 Kilo zu, der Kosename blieb. Seine Meriten: deutscher Meister, Europameister. Am WM-Titel war er gescheitert. Das hat er nie verkraftet. Von 96 Profikämpfen in 16 Jahren verlor er nur zwei.

Scholz diente als Abbild des Aufschwungs in der alten Bundesrepublik nach dem Krieg: dynamisch, zupackend, erfolgreich. Im Berliner Arbeiterviertel Prenzlauer Berg als Sohn eines Schmieds entbehrungsreich aufgewachsen, in einer schicken Villa im Berliner Grunewald später opulente Partys inszenierend. Gustav und Helga Scholz waren das Traumpaar schlechthin. Es gab kein gesellschaftliches Ereignis von Rang ohne sie.

Seinen Aufstieg hatte Scholz im Boxring begründet. «Technisch war er sehr versiert und als Rechtsausleger unbequem», sagt Jean-Marcel Nartz, Top-Kenner der deutschen und internationalen Boxszene. Der frühere Technische Direktor der Boxställe Sauerland und Universum hat als Kind und Jugendlicher Scholz live boxen sehen. «Im Ring war er eine Hausnummer, menschlich aber eine Katastrophe: Arrogant, ein Lebemensch ohne Rücksicht auf Verluste. Nicht wenige Leute wollten ihn verlieren sehen.» In seiner 1980 erschienenen Autobiografie «Der Weg aus dem Nichts» beschrieb Scholz seinen Charakter: «Rücksichtslos, nur nicht mir selbst gegenüber.»

Die High Society der damaligen Zeit riss sich um den Boxer. Wie der Besitz eines chromblitzenden Mercedes-Cabrios war die Nähe zu Scholz ein gesellschaftlicher Ritterschlag. Curd Jürgens, Harald Juhnke, Hardy Krüger, Romy Schneider, Hans Rosenthal und andere gingen bei «Bubi» Schampus trinken. Die Klatschreporter hyperventilierten.

Mit der Boxkarriere machte er 1965 Schluss, mit den Partys ging’s da erst richtig los. Als Besitzer zweier Parfümerien, Teilhaber einer Werbeagentur, Gelegenheits-Schlagersänger und talentfreier Schauspieler kam weiterhin Geld in die Kasse. Aber irgendetwas war fortan anders beim Traumpaar Scholz. «Der Abstieg lag darin begründet, dass beide nicht damit fertig wurden, dass die Prominentenrolle beendet war», sagt Richter Hans-Joachim Heinze in einer ARD-Dokumentation. Scholz verfiel dem Alkohol, litt an Depressionen, stolperte von einer Ehekrise in die nächste.

Das Zerwürfnis mit Helga, die ebenfalls nicht von der Flasche lassen konnte, wuchs. Videoaufzeichnungen seiner alten Kämpfe im Keller der weißen Villa konnten ihn nicht mehr trösten. Am Abend des 22. Juli 1984 lief der Dauer-Ehestreit aus dem Ruder. Der betrunkene Scholz schoss mit einem Gewehr durch die Tür der Gästetoilette. Als die Polizei eintraf, lag Helga Scholz tot neben der Kloschüssel.

Sechs Jahre nach seiner Entlassung heirate er erneut. Die Party- und Todes-Villa wurde verkauft. «Bubi» Scholz war seither kein Mann mehr für die Klatschspalten. Schlaganfälle, Demenz folgten. «Als Junge habe ich ihn verehrt», sagt Jürgen Kyas, Ehrenpräsident des Deutschen Boxsport-Verbandes. «Durch seinen Absturz hat er seinen Ruf aber restlos ruiniert.»


(dpa)

(dpa)